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Automatisierte Herstellung von vorgespannten Betonweichenschwellen

13.11.2020

Vorgespannte Betonweichenschwellen sind durch eine sehr hohe Variantenvielfalt gekennzeichnet. Kunden dieser Produkte erwarten zunehmend kürzere Durchlaufzeiten nach der Bestellung und erhöhen dabei gleichzeitig immer weiter die Anforderungen an die Qualität. Um beides zu ermöglichen, hat die Firma PCM Rail.One AG nun erstmals ein Werk in Betrieb genommen, bei dem der Industrie 4.0-Ansatz angewendet wurde. Dieses Werk wurde im November 2019 im bayerischen Schwandorf eröffnet. Die Umlaufanlage wurde im Wesentlichen von der Firma Weckenmann Anlagentechnik GmbH & Co. KG realisiert.


Im schienengebundenen Verkehr gibt es eine große Vielfalt an verschiedenen Weichen. Diese können sowohl auf geraden Strecken als auch in Bögen auftreten. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, mit der diese Weichen befahren werden, können die Weichen auch noch unterschiedliche Längen aufweisen. Bei einer in der Strecke liegenden Betonschwelle muss sichergestellt sein, dass die auftretenden statischen und dynamischen Lasten aus dem Zugverkehr zielsicher in den Untergrund abgeleitet werden. Gleichzeitig muss die Schiene dauerhaft gehalten werden. Zudem muss bei einer Betonschwelle unter einer Weiche noch sichergestellt werden, dass alle mechanischen Komponenten für den Betrieb einer Weiche auf den Schwellen befestigt und die entsprechend auftretenden Lasten eingeleitet werden können.

Konzept für das Werk

Diese Rahmenbedingungen führen dazu, dass jede Weichenschwelle individualisierte Befestigungspunkte aufweist, die schon bei der Herstellung über Anker oder Dübel realisiert werden. Nur am Anfang und am Ende einer Weiche können Schwellen mit gleichen Abmessungen zum Einsatz kommen, innerhalb einer Weiche unterscheidet sich jede Schwelle von der anderen. Allein für den Einsatz in Deutschland umfasst die Datenbank für Weichenschwellen derzeit rund 10.000 einzelne individualisierte Schwellen. Jedes Jahr kommen weitere dazu, da auf zahlreichen Bahnstrecken Sonderlösungen notwendig sind.

Die Fertigung von vorgespannten Betonweichenschwellen findet heutzutage hauptsächlich im sogenannten Langen Spannbett statt. Dabei werden die notwendigen individualisierten Befestigungspunkte und die Länge einer einzelnen Weichenschwelle über ein sogenanntes „Bodenblech“ realisiert. Diese Bleche werden in Lagern vorgehalten und dann für den jeweiligen Einsatz in das Lange Spannbett eingesetzt.

Lange Spannbetten bieten zwar viele Vorteile, haben aber Grenzen hinsichtlich der Automatisierung oder auch der Produktivität und benötigen vor allem ein nicht unerhebliches Volumen an umbautem Raum. Diese Nachteile können üblicherweise durch Karussellanlagen kompensiert werden.

Also Anlagen, bei denen Formen im Kreislauf geführt werden. Für die Herstellung von Weichenschwellen aus Beton gibt es das bereits – in Polen und Italien werden schon seit mehreren Jahren entsprechende Anlagen betrieben. Allerdings werden bei diesen Anlagen nach wie vor Bodenbleche in den Formen getauscht, was weiterhin eine enorme logistische und personelle Anstrengung bedeutet. In Schwandorf sollte dieses Verfahren noch weiterentwickelt werden. Dabei war die zentrale Idee, zukünftig keine Bodenbleche mehr zu tauschen. Am Ende der Planungsphase stand dann ein völlig neuer Produktionsprozess. Viele Abläufe, die in traditionellen Karussell-Anlagen noch mit der Hand erfolgen, wurden durch modernste Knickarmroboter und automatisierte Portal- und Transportsysteme ersetzt. In Ergänzung dazu sollte die gesamte Fertigung in ein digitales Umfeld gemäß den Vorstellungen der Industrie 4.0 gebettet werden.

Praktische Umsetzung

Das Ende 2019 eingeweihte Werk in Schwandorf wurde speziell auf die Anforderungen und Abmessungen einer Umlaufanlage ausgelegt. Die unterschiedlich langen Formen werden auf Rollenbahnen längs und mit Hubwagen quer von Station zu Station transportiert. Am Schluss werden die Formen in einer Härtekammer übereinander gestapelt.

Die Mischanlage befindet sich in einer Einhausung und ist mit einer stationären Kühl-/Heizanlage verbunden, so dass das ganze Jahr über Beton mit gleichbleibender Qualität und mit gleichbleibender Frischbetontemperatur produziert werden kann, unabhängig von den Umgebungsbedingungen. Die Anlage wurde kompakt und für den optimalen Materialfluss in ein neues Gebäude geplant. An mehreren Stellen sind moderne Knickarmroboter integriert. Ein Roboter besprüht die Formen mit unterschiedlichen Längen mit Trennmittel, ein anderer Roboter setzt die unterschiedlichen benötigten Einbauteile auf den Zehntel-Millimeter exakt in die Form ein. Dazu war es notwendig, entsprechende neuartige Halterungen für diese Einbauteile mit integrierten Magneten einzusetzen. Weckenmann entwickelt und produziert seit Jahrzehnten derartige Magnetsysteme für den Betonfertigteilbau selbst.

Roboter zum Setzen der Einbauteilmagnete

Mit Hilfe einer vollautomatischen Köpfchenstauchanlage werden die Spannstahlgarnituren mit den Verankerungselementen vorbereitet und über ein Portalsystem automatisch in der Form platziert. Das Vorspannen erfolgt vollautomatisch, der Betoniervorgang durch einen Schneckenbetonverteiler halbautomatisch. Um Wartung und Reinigung zu erleichtern ist die Schneckenwanne hydraulisch absenkbar und durch die Hartmetallbeschichtung der Schnecken ist deren Standzeit deutlich länger als konventionell. Das Verdichten der unterschiedlich langen Formen erfolgt durch von unten an die Formen magnetisch angekoppelte Rüttler. Das von Weckenmann entwickelte System mit der Bezeichnung MagVib hat besondere Vorteile gegenüber der gewöhnlich bei der Schwellenfertigung eingesetzten Verdichtungstechnik. Durch die kraftschlüssige und vollständige Kopplung der Rüttler wird die Verdichtungsenergie ohne Verluste in die Form eingetragen und die Lärmentwicklung beim Verdichten ist gering. Auf eine sonst übliche Schallschutzkabine konnte somit verzichtet werden.

Das Sicherheitskonzept der Anlage trägt dem hohen Maß an Automatisierung Rechnung. Wichtig ist, dass die Einrichtungen, die Personenschäden verhindern sollen, von den Mitarbeitern akzeptiert werden und die Bedienbarkeit der Anlage nicht merkbar beeinträchtigen.

Die in der Produktion eingesetzten Maschinen und Formen werden mit einer konventionellen SPS gesteuert. Die SPS kommuniziert durchgehend mit einem Leitrechner, der alle Informationen für die Produktion bereithält. Der Leitrechner wiederum steht in ständiger Verbindung mit dem Firmeneigenen ERP-System (SAP). Sobald ein Auftrag für eine Weiche eingegangen ist, wird dieser über das ERP-System erfasst. In zugeordneten Datenbanken sind sämtliche technischen Details der jeweiligen Weichen hinterlegt. Die notwendige Bestellung der zu den Weichen gehörenden Zukaufteile erfolgt automatisch unter Berücksichtigung des Produktionstermins. Die Umsetzung der Fertigung übernimmt ebenfalls der Leitrechner, der die Auslastung der Formen über entsprechend hinterlegte Algorithmen optimiert. Darüber hinaus übergibt der Leitrechner den verschiedenen Anlagenkomponenten wichtige Informationen, wie z. B. Anzahl, Art und Lage der Einbaukörper, Vorspannkraft, Länge der Spannstahlgarnitur oder die Information für die Herstellung der Beschilderung. Bei der Endmontage stellt der Leitrechner wichtige Informationen für die Montage jeder einzelnen Weichenschwelle gut sichtbar für die Mitarbeiter auf einem großen Bildschirm zur Verfügung. Jede einzelne Form ist mit RFID-Chips bestückt, so dass die Umlaufanlage jederzeit die Position und den Zustand der jeweiligen Form erfassen kann. Final werden dann alle hergestellten Weichenschwellen über den Leitrechner mit einem QR-Code versehen. Ergänzend wurde ein drahtloses QR-Code-Lesesystem installiert, das über den Leitrechner mit dem ERP-System in Verbindung steht. Damit ist man in der Lage, jede Schwelle am Lagerplatz eindeutig zu identifizieren. Eine entsprechende Zuordnung zu Produktionsaufträgen sowie die lückenlose Rückverfolgbarkeit sind somit sichergestellt.

Natürlich erfordert ein derartiger Ansatz ein ERP-System, das flexibel und individuell programmiert werden kann. Denn nur so lassen sich die notwendigen Prozesse schlank und effizient gestalten. Auch die Anforderungen an die Hardware, die Datensicherheit und die Verfügbarkeit der Produktionsdaten wurden von Anfang an in der Konzeption des gesamten Werkes berücksichtigt. Damit war sichergestellt, dass Probleme in der Datenkommunikation nicht sofort einen Produktionsstopp nach sich ziehen.
Das Ergebnis ist enorm: die Produktivität ist nahezu doppelt so groß wie in herkömmlichen Fertigungsverfahren und durch den hohen Grad an Digitalisierung ist die Effizienz von Begleitprozessen (wie z.B. die Erfassung von Daten für die Qualitätssicherung oder die Steuerung der Instandhaltung) erheblich gesteigert. Durch die Digitalisierung des gesamten Produktionsprozesses ist auch eine schnelle Reaktion auf spezielle Kundenanfragen möglich. Wenn z. B. auf Baustellen einzelne Schwellen beschädigt wurden und dringend Ersatz benötigt wird, können diese Ersatzschwellen innerhalb weniger Stunden in die laufende Produktion integriert und bereits am nächsten Tag und innerhalb von 24 Stunden zur Auslieferung bereitgestellt werden.

Zusammenfassung

Mit dem Werk in Schwandorf haben die Firmen Rail.One und Weckenmann mit der nötigen Portion an Ideen, Kompetenz und Ausdauer einen neuen Meilenstein für die Anwendung der Digitalisierung im Sinne von Industrie 4.0 setzen können. Oder anders ausgedrückt: Mit den Technologien der Serienfertigung werden individuelle Schwellen in Stückzahl eins schnell, wirtschaftlich und in hoher Qualität produziert.

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